Das Porträt des hier etwas resigniert und abwartend blickenden Komponisten Carl Loewe (1796-1869) zeigt ihn als den noch jungen Kirchenmusiker und Gymnasiallehrer, der erst vor einem knappen Jahrzehnt seine Lebensstellung in Stettin angetreten hatte. Seine erste Frau, mit der er Erinnerungen an glückliche Jugendtage in Halle hatte teilen können, war im Kindbett verstorben. Inzwischen war er wieder verheiratet und Vater einer Tochter geworden, die aber bewusst den Rufnamen seiner ersten großen Liebe erhielt. Quelle: http://www.museum-digital.de Stiftung Händel-Haus Halle

Carl Löwe, der bekannte Musiker und Komponist, war kein Pommer. Er wurde als Johann Carl Gottfried L. am 30. November 1796 als jüngstes von zwölf Kindern in Löbejun bei Halle geboren.  Sein Vater war der Kantor Andreas L., Mutter nach seinen eigenen Angaben die Seilerstochter Marie Leopold. (In der Allgemeinen deutschen Biographie  finden sich in der neuen und der alten Version widersprüchliche Angaben über seine familiäre Abstammung.) Er starb am 20.4.1869 in Kiel, wo er seinen Lebensabend bei der ältesten Tochter verbracht hatte.

Was verbindet ihn mit Pommern? Als 24jähriger bekam er eine Anstellung als Kantor an der Jakobikirche und Lehrer in Stettin und blieb dort  als Städtischer Musikdirektor ab 1821 tätig bis ins Jahr 1866.  Auf Konzertreisen durch viele Städte Deutschlands und der Nachbarländer glänzte er als Sänger und Pianist und trug seine Balladen vor.  Er wurde der “Schubert des Nordens” genannt. Leider war das Ende seiner beruflichen Tätigkeit seinem Ruhm nicht angemessen, er erhielt im Februar 1866 ein Schreiben der Stadt Stettin mit der Aufforderung seinen Abschied einzureichen. Vorausgegangen war eine längere Erkrankung nach einem schweren Schlaganfall. Löwe bat darum, ihm einen  Vertreter zu gewähren und ihn seine geliebte Orgel in der Jakobikirche, die er liebevoll “Cecilie” getauft hatte,  weiter spielen zu lassen, aber der Magistrat lehnte dies ab.  Tief gekränkt zog er mit der Familie nach Kiel,  wo er 3 Jahre später verstarb. Eine Orgel hat er nie wieder gespielt.

Gedenktafel für Löwe in der Stettiner Jakobikirche
Gedenktafel für Löwe in der Stettiner Jakobikirche, 2011; Quelle http://www.janreichow.de/wordpress/?p=2875
Die Orgel der Jakobikirche vor dem Krieg
Die Orgel der Jakobikirche vor dem Krieg, Quelle s.Text

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Verbundenheit zu Stettin und “seiner” Orgel blieb aber bis über den Tod hinaus, angeblich hat er testamentarisch verfügt, dass sein Herz bei seiner Orgel bestattet werden soll. Sein Biograph Max Runze berichtet 1905 von dieser Zeremonie, bei der er anwesend war: “…im Juni des Jahres 1869…..Einem Maurer, der mit Schurz und Kelle zur Seite stand, war darauf ein Wink zu Theil und so ward denn unter andachtsvoll gehobenener Stimmung der kleinen Gemeinde das von silberner Kapsel umschlossene  Herz des großen Künstlers in der stillen kleinen Gruft beigesetzt. Ein inniger Choral beschloß die würdige Feier. In mehr denn Manneshöhe ruht nun dort hoch oben das Herz , mit dem der Lebende so oft zur unendlichen Gottheit sich erhoben hatte. Eine schwarze Marmorplatte verschließt die geweihte Stätte. Die auf der selben befindliche Inschrift hat Calo verfasst….” (Gemeint ist Loewes Freund, Professor Friedrich Ferdinand Calo, 1814-1872)

Vor dem Krieg war es wohl allgemein bekannt, wo sich das Herz des Musikers befand, in zeitgenössischer Literatur wird oft darauf hingewiesen: im südlichen Pfeiler der Orgel. Im II. Weltkrieg wurde die Jakobikathedrale schwer beschädigt und auch die Cecilie, Loewes geliebte Orgel, zerstört.  Ein Photo der alten Orgel findet sich in : “Chronik der Stadt Stettin, Gudden-Lüdecke, Leer, 1993.

Seitdem gilt das Herz als verschollen. Die Gedenkplatte, die laut Runze die Grabnische verschloss, hat aber wohl überlebt, wie obiges Foto zeigt, das 2011 entstanden ist.

Jetzt hat man bei Renovierungsarbeiten  in einer Säule in luftiger Höhe einen Sandsteinblock entdeckt, der eine 18 kg schwere Urne enthält mit einem Metallobjekt aus Silber und Blei von 10 cm Durchmesser.  Aller Voraussicht nach das gesuchte Herz von Carl Löwe, aber laut einem Artikel der Märkischen Zeitung soll jetzt eine DNA-Analyse zur Absicherung erfolgen.  Die Notwendigkeit kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen, aber schädlich ist das sicher nicht. Dumm nur, dass das in Kiel bestattete Skelett “nicht mehr auffindbar” ist und die letzte Nachfahrin auch schon verstorben ist. Sollte jetzt etwa die Genealogie am Zug sein?

Die folgenden Bilder stammen von wp.pl


Die Fundstelle der Urne hoch oben an der Säule – Die Urne – Die Fundstelle in Großaufnahme

Da scheint durchaus noch Forschungsbedarf zu sein, schon die divergierenden Angaben in der ADB (aus einem alten Pfarrergeschlecht) und der NDB (Enkel eines Grenadiers und späteren Bauern) weisen darauf hin.
In Stettin wurde Löwe posthum doch noch geehrt: 1897 wurde ein Standbild des Komponisten, gestaltet von Hans Weddo von Glümer (*1867 Pyritz) vor der Jakobikirche aufgestellt. Auch dieses Denkmal ist ein Opfer des Krieges.

Weitere Fotos und ein Video von der Präsentation der Urne:  24kurier.pl

Quellen:
Dr. Carl Loewes Selbstbiographie:Für die Öffentlichkeit bearbeitet von C.H. Bitter, Berlin, 1870
Loewe Redivivus, Dr. Max Runze, Berlin 1888
Verschollenes Herz von Carl Loewe entdeckt?

VON RALF BÖHME, 11.03.12, 19:31h, aktualisiert 11.03.12, 20:00h, mz-web.de
Carl Loewe in Stettin 1820 – 1866, Ryszard Lipczuk, Germanistisches Institut Universität Szczecin
Carl Löwe; Otto Altenburg in:  Baltische Studien Jahrgang 1924 Neue Folge Band 26
Internationale Carl Loewe Gesellschaft
Sedina.pl: Das Herz von Carl Löwe entdeckt?

Hören Sie sich doch als Abschluss eine der bekanntesten Balladen Löwes in einer historischen Aufnahme an, sein lebendiges Vermächtnis:

Ich trage, wo ich gehe,
Stets eine Uhr bei mir;
Wieviel es geschlagen habe,
Genau seh ich an ihr.
Und ward sie auch einmal träger,
Und drohte zu stocken ihr Lauf,
So zog der Meister immer
Großmütig sie wieder auf.
Es ist ein großer Meister,
Der künstlich ihr Werk gefügt,
Wenngleich ihr Gang nicht immer
Dem törichten Wunsche genügt.
Doch stände sie einmal stille,
Dann wär’s um sie geschehn,
Kein andrer, als der sie fügte,
Bringt die Zerstörte zum Gehn.
Ich wollte, sie wäre rascher
Gegangen an manchem Tag;
Ich wollte, sie hätte manchmal
Verzögert den raschen Schlag.
Dann müßt ich zum Meister wandern,
Der wohnt am Ende wohl weit,
Wohl draußen, jenseits der Erde,
Wohl dort in der Ewigkeit!
In meinen Leiden und Freuden,
In Sturm und in der Ruh,
Was immer geschah im Leben,
Sie pochte den Takt dazu.
Dann gäb ich sie ihm zurücke
Mit dankbar kindlichem Flehn:
Sieh, Herr, ich hab nichts verdorben,
Sie blieb von selber stehn.
Sie schlug am Sarge des Vaters,
Sie schlug an des Freundes Bahr,
Sie schlug am Morgen der Liebe,
Sie schlug am Traualtar.
Sie schlug an der Wiege des Kindes,
Sie schlägt, will’s Gott, noch oft,
Wenn bessere Tage kommen,
Wie meine Seele es hofft.
Johann Gabriel Seidl (1804-1875)

 

 

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