Unser Mitglied Katrin H. hat an dem Rechercheseminar zur Familiengeschichte :
„Ein Täter, Mitläufer, Zuschauer, Opfer in der Familie?“  in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme am 9.Mai 2014 teilgenommen und teilt mit uns ihre Eindrücke:

KZ-Neuengamme Feldbahn
KZ-Neuengamme Feldbahn Bild von Thal1982 (Own work) CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons

Am Freitag war der Einführungsteil mit vielen Informationen und einem Überblick über das Thema.

Unter anderem durch die Serie bei Spiegel Online  über die Geschichten von Täterkindern sind viele, auch ich, auf das Seminar aufmerksam geworden.
Der Ansturm war daher enorm. Auch die Hintergründe, warum jemand teilnimmt, waren sehr unterschiedlich. Von Täterkind/-Enkel über Opferkind/-Enkel bis hin zu beidem gleichzeitig und auch berufliche oder ehrenamtliche Interessen, es waren alle Graustufen vertreten.
Die Dozenten, Herr von Wrochem und Herr Möller, hatten gerade auch für blutige Anfänger in den Recherchen über Vorfahren generelle und speziell dann für Militärisches zu SS und Wehrmacht sowie anderen Ordnungsorganen wie z.B. Polizei, Gestapo detaillierte Informationen aus ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit. Auch wurden die Folgen für Mitglieder o.g. Organisationen in der Nachkriegszeit anhand von verschiedenen Fragen aus der Diskussionsrunde erörtert; z.B. warum jemand nach dem Krieg trotz Entnazifizierungverfahren nicht in den Polizeidienst konnte und ähnliches.

Es gab es viele Recherchetipps wo was zu finden ist und welches (Bundes-)Archiv was verwaltet. Hier eine Linkliste der Zuständigkeiten ohne Gewähr auf Vollständigkeit:

  • Bundesarchiv (Zentrale) in Koblenz für allgemeine Anfragen
  •  Bundesarchiv (Militärarchiv) in Freiburg i.Br.
  •  Bundesarchiv (Zentrale Stelle zur Aufklärung national-sozialistischer Verbrechen als gemeinschaftliche Einrichtung der Landes-justizverwaltungen) in Ludwigsburg
  • Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth
  • Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde für Angelegenheiten die in die Zeit ab 1949 fallen
  • Die WAST als 1. Anlaufstelle für die Suche nach Daten aus der Wehrmacht
  • Die StaSi-Unterlagenbehörde (für NS-Akten deren Beteiligte ab 1949 in Ostdeutschland lebten, und gegen die wegen NS-Vergangenheit ermittelt wurde)
  • Die Landesarchive der einzelnen Bundesländer z.B. fürProzessakten, auch für Prozesse vor 1945/1949

Völlig neu war mir in dem Zusammenhang auch das Akten(-reste) von NS-Täterakten aus Ostdeutschland möglicherweise auch in den Unterlagen der Stasi zu suchen sind.

Dann stellten die Dozenten noch die einzelnen Teile ihres eigenen Archives der Gedenkstätte vor. Es beinhaltet einmal den klassischen Bibliotheksteil mit verschiedensten Themenschwerpunkten über die Zeit des Nationalsozialismus, sowie auch filmische und Audiodatenbestände. Neu eingepflegt werden zur Zeit auch die Elemente der neuen Medien (u.a. Internetlinks) in die Suchmaschine, der das Archiv angeschlossen ist.
Die gesamte Bibliothek ist eine Bestandsbibliothek aus der nicht entliehen werden kann.
Geöffnet ist sie in der Woche von 10-15 Uhr und um rechtzeitige telefonische Voranmeldung wird von den Mitarbeitern der Bibliothek gebeten.

Ein weiterer Teil sind die Archive zu Täter- und Opferakten sowie ein Foto- und Filmarchiv, dort ist der Bestand noch im kontinuierlichen Aufbau und (ehrenamtliche) Recherchehilfe zur Erweiterung des Bestandes wird nach Absprache mit Herrn Möller gerne gesehen. Auch sollen möglichst viele der Daten zu einer digitalen Datenbank mit Suchfunktion verarbeitet werden. Die erledigen oft Studenten, jedoch ist Unterstützung willkommen.

Aufgrund von entsprechenden Zuständigkeiten sind viele Akten auch in den Landesarchiven und ähnlichem über das ganze Bundesgebiet verstreut und es sehr aufwendig, die passenden Akten zusammensuchen und dann zu prüfen, ob sie in den bereits bekannten Kontext passen.

Vielleicht ein Unterstützungs-Projekt für das Netzwerk der deutschen Ahnenforscher-Vereine? Wir haben doch sicherlich an jedem Standort eines Landesarchivs interessierte Mitglieder die die Suche unterstützen würden.
Denn auch die anderen Gedenkstätten können Hilfestellungen gebrauchen, da es immer wieder neue Forschungsansätze gibt, die auch recherchiert werden wollen.

Jetzt noch ein paar persönliche Eindrücke zu Neuengamme selbst.

Haeftlingslager
Neue Gestaltung des Stammlagers Neuengamme von Fumaro at de.wikipedia CC-BY-SA-2.0-de via Wikimedia Commons

Für mich war der Weg dorthin schon ein Aha-Erlebnis, denn das KZ ist, obwohl es ja innerhalb des Bezirkes Hamburg-Bergedorf liegt, trotzdem nur auf Wegen erreichbar, die sich beim Fahren wie asphaltierte Feldwege anfühlen. Ich gehe aber davon aus, dass vor knapp 70 Jahren die Wege eher noch nicht asphaltiert waren, aber leider ich vergaß zu fragen. Auch die Umgebung erinnerte mich eher an ein ländliches Ambiente als an einen Teil von Hamburg. Daher kann ich nachvollziehen, dass die Bevölkerung die Existenz des Lagers verdrängen konnte, da auch der gesellschaftliche Druck damals nicht zu vernachlässigen war.

Neuengamme Klinkerwerk
Neuengamme Klinkerwerk Von flamenc (Own work) CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons

Auch das Betreten der Gedenkstätte nach dem Eingangsbereich verursachte ein ungutes Gefühl in der Magengegend, weil man anhand des mit Steinplateaus ausgelegten Platzes nachvollziehen konnte, wie der vordere Teil aufgebaut war; und da mir auch Fotos aus der Zeit vor 70 Jahren bekannt sind, stand einem die damalige Situation fast vor Augen.

Dazu kam die Fülle an Wissensinput über den Tag, so dass ich den Teil 2 am Samstag & Sonntag nicht mehr mitgemacht habe, sondern mich da wohl zu einem späteren Zeitpunkt wieder einklinken möchte. Ich kann jedem nur raten, das Seminar vom Anstrengungsfaktor geistiger Art nicht zu unterschätzen.
Das ist auch der Grund warum ich leider selbst keine Fotos mehr gemacht habe.

Die nächste Gelegenheit für ein Seminar in Neuengamme ist im September 2014 mit allen Teilen. Auch ist eine weitere Veranstaltung zu dem Thema im November 2014 in der internen Diskussion.

Da die Seminare immer sehr schnell belegt sind und die Anmeldungen für September 2014 bereits laufen sollte man bei Interesse keine Zeit verlieren und sich umgehend im der Gedenkstätte Neuengamme unter folgenden Kontaktdaten anmelden:

Oliver.vonWrochem@kb.hamburg.de oder Tel. 040-428131-515
Ort: KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Studienzentrum

Katrin H.

 

 

2 Gedanken zu “Ein Täter in der Familie ?”

  • Ein Gedanke zu “Ein Täter in der Familie ?”

    Hallo, Herr W.Stangwald
    Um Ihre Frage zu beantworten: Ja, solche Gehaltslisten der Hauptamtlichen Stasi-Angestellten wurden auch für andere Bezirke in einer Zeitung 1991, namens “Die Andere” neben anderen lesenswerten Artikeln der DDR-Zeitgeschichte über sog. Täter veröffentlicht, die dann samt des nach der Wende speziell zur Stasi-Aufarbeitung gegründeten Verlages, dem BasisDruck Verlagsgesellschaft mbH, 1058-Berlin, Schliemannstr.23, nach meinen Informationen wieder aus der Öffentlichkeit verschwand. Dadurch auch nicht mehr so leicht der Öffentlichkeit zugänglich sein mag.
    Da bekannter Maßen die Zeit alle physischen und psychischen Wunden heilt, wären diese Informationen allenfalls für Historiker, Genealogen, Familien- und Erbenforscher noch von Interesse. Ein Großteil von denen sind ja sowieso schon gestorben, wenn man da mal in den seitenumfassenden Listen das Geburtsdatum lesen täte. …

    Wenn Sie für Ihre Familienforschung nach Angehörigen suchen, könnte ich Ihnen da vielleicht mit einigen Mühen behilflich sein, wenn Sie es denn wünschten, denn meine belesene Tante hatte einige unsortierte DDR-Erinnerungsliteratur in ihren Kisten und Koffern gesammelt.

    Frdl. Grüße – Buchhalterin3

  • Bekannterweise hat die Bild-Zeitung in 1992 eine Namen-Liste der Stasi-Mitarbeiter des ehem. Bezirk- Halle veröffentlicht.Diese Liste enthält 3000 Namen mit Geburtsdatum,Wohnort und Gehaltsangaben.
    Wurden solche Listen auch für die anderen Bezirke der ehem.DDR veröffentlicht? Sind ,falls ja, diese noch irgendwie zugänglich? Ich hätte für meine private Familienforschung ein großes Interesse daran.
    Mit den besten Grüßen
    W.Stangwald

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