Frauendorf war laut Berghaus Mitte des 19. Jahrhunderts in Beziehung auf romantische Lage die Perle unter den ländlichen Ortschaften in den nächsten Umgebungen Stettins.

Eines Tages suchte ich bei Wikipedia nach Informationen zu Frauendorf. Ich stieß dort auf eine deutsche Seite Golęcino (poln. Ortsbezeichnung von Frauendorf).

Im Abschnitt “Söhne und Töchter des Ortes” fand ich u.a. folgenden Eintrag, der wie ich finde, thematisch so herrlich zu der obigen Ortsbeschreibung passt.

“Gustav Meyer (1816–1877), deutscher Landschaftsgestalter und Städtischer Gartendirector zu Berlin”

Tatsächlich hat es Gustav Meyer in Berlin zu hohem Ansehen gebracht. So wurden der Volkspark Friedrichshain, der Volkspark Humboldthain, der Treptower Park und die Villenkolonie Alsen (Wannsee) nach seinen Entwürfen angelegt. Zuvor hatte er sich als Schüler von Lenné und seiner Arbeit als Hofgärtner im Schloss Sanssouci umfassende Kenntnisse angeeignet und z.B. eine Skizze des Paradiesgartens in Potsdam angefertigt. Nach ihm ist eine Straße im Berliner Stadtteil Wedding benannt, die Gustav-Meyer-Allee.

Der Paradiesgarten nördlich der Maulbeerallee, Plan von Gustav Meyer, um 1850, Original: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Plansammlung, Nr. 3723. Aus: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum und SPSG (Hrsg.): Peter Joseph Lenné. Parks und Gärten im Land Brandenburg. S. 234 f, via wikipedia, gemeinfrei.
Der Paradiesgarten nördlich der Maulbeerallee, Plan von Gustav Meyer, um 1850, Original: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Plansammlung, Nr. 3723. Aus: Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum und SPSG (Hrsg.): Peter Joseph Lenné. Parks und Gärten im Land Brandenburg. S. 234 f, via wikipedia, gemeinfrei.

Außer bei Wikipedia sind seine Lebensdaten noch auf anderen Internetseiten zu finden. Sie sind alle nahezu gleich. Mal wird sein Geburtsort mit Frauendorf, mal auch Frauendorf, Kreis Randow angegeben. So auch z. B. auf der eigens zu seinem Namen eingerichteten Wikipedia-Seite, wo seine Lebensdaten

Johann Heinrich Gustav Meyer (* 14. Januar 1816 in Frauendorf, Landkreis Randow; † 27. Mai 1877 in Berlin) lauten.

Wikipedia über Gustav Meyer, Sreenshot bearbeitet
Wikipedia über Gustav Meyer, Sreenshot bearbeitet

Mit diesem konkreten Geburtsdatum blätterte ich im Kirchenbuch von Frauendorf nach dem Taufeintrag. Sein Name war mir dort bislang nicht aufgefallen, ich hatte ihn wohl übersehen. Aber was war das? Es gibt im Kirchenbuch von Frauendorf, Kreis Randow keine Person mit diesem oder ähnlichen Namen!

In der Online-Fassung des Buches Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 343-344 wird Meyers Geburtsort mit Frauendorf/ Oder (Neumark) angegeben. Hierbei handelt es sich um Frauendorf, Kreis Weststernberg, heute poln. Pamięcin. Von diesem Ort konnte ich keine Angaben über vorhandene Kirchenbücher finden.

Was also tun? Es bleibt nur noch, nach dem Sterbeeintrag aus Berlin zu suchen. Aber wo in dieser riesigen Stadt Berlin soll man da anfangen? Das Adressbuch Berlin 1877 gibt seine letzte Anschrift an mit

Meyer, G., Gartendirekt d. Stadt Berlin, Humboldtshain Direktorialgebäude I. 12-2

Eintrag für Gustav Meyer im Adressbuch von Berlin 1877, Digitalisat der Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Eintrag für Gustav Meyer im Adressbuch von Berlin 1877, Digitalisat der
Zentral- und
Landesbibliothek Berlin

Für diese Adresse ist 1877 das Standesamt XI Oranienburger Vorstadt zuständig.

Glücklicherweise sind die Standesamtsregister digitalisiert und im Internet bei Ancestry.de gegen Gebühr einsehbar. Mit Hilfe des kostenlosen 14-Tage-Abos habe ich mir nun die Sterbeurkunde von Gustav Meyer heruntergeladen.

Sterbeurkunde für Gustav Meyer (Quelle: Ancestry.com. Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1920 [database on-line]. Provo, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2014. Ursprüngliche Daten: Sterberegister der Berliner Standesämter 1874-1920. Digital images. Landesarchiv, Berlin, Deutschland.)
Sterbeurkunde für Gustav Meyer (Quelle: Ancestry.com. Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1920 [database on-line]. Provo, UT, USA: Ancestry.com Operations, Inc., 2014.
Ursprüngliche Daten: Sterberegister der Berliner Standesämter 1874-1920. Digital images. Landesarchiv, Berlin, Deutschland.)
Der Kaufmann und Reserve-Offizier Johann Heinrich Leopold Otto Meyer, wohnhaft zu Berlin im Directorialgebäude Humboldshain zeigte an, daß

der Garten Director der Stadt Berlin, Gustav, Heinrich, Johann Meyer,
61 Jahr, 4 Monat, 13 Tage alt, evangelischer Religion,
wohnhaft zu Berlin im Directorial Gebäude (Humbold’s Hain),
geboren zu Frauendorf, Kreis Sternberg,
verheirathet gewesen mit Minna Meyer, geborene Ferse …. zu Berlin im Directorial Gebäude (Humbold’s Hain)

am 27. Mai 1877 verstorben sei.

Nun habe ich das endlich amtlich, was ich leider schon vermuten musste. Gustav Meyer ist keine berühmte Persönlichkeit aus MEINEM Frauendorf.

Und das wird auch durch die falsche Angabe in der “Schwarmwissensammlung” Wikipedia nicht anders und auch nicht dadurch, dass manche Internetseiten die Angaben kopiert haben und die Wiege seiner Kindheit an die Perle unter den ländlichen Ortschaften in den nächsten Umgebungen Stettins stellen.

Schade, aber interessant war diese Recherche trotzdem.

Update:
Am 9.2.2018 wurde der Geburtsort in Wikipedia geändert. Vielen Dank!