Man hat den Eindruck, Familienforschung boomt. Immer mehr Artikel und Fernsehsendungen zu diesem Thema erscheinen und natürlich ist dies auch kommerziellen Anbietern nicht entgangen und sie versuchen, sich an diesem Interesse zu beteiligen.

Wie sieht es aber konkret für Pommern aus? Leider gibt es Licht und Schatten.
Die unangenehmen Nachrichten zuerst:

Landeskirchliches Archiv in Greifswald
Landeskirchliches Archiv in Greifswald – geschlossen wegen Schimmelbefall seit dem Spätsommer 2014

Das Archiv der Landeskirche in Greifswald ist wegen Schimmelbefall geschlossen und ausgelagert, es sind keine Besuche mehr möglich , Anfragen werden aushilfsweise vom Pommerschen Kirchenkreisarchiv übernommen. Wie es weitergeht, steht in den Sternen und eine Beteiligung bei Archion (s.u.) ist wohl leider auch nicht angedacht.

 

Das Landesarchiv in Greifswald hat ebenfalls mit Schimmel zu kämpfen: Meldung aus dem November 2014:

Im Treppenhaus des Landesarchives Greifswald
Im Treppenhaus des Landesarchives Greifswald

Wegen Schimmelbefalls mussten erste Aktenbestände, aktuell Repositur 6 und 7, komplett gesperrt werden. Beide betreffen Überlieferungen aus der Schwedenzeit. Das besondere Problem […]: Diese beiden Bestände sind im Gegensatz zu vielen anderen nicht verfilmt und damit für die Forschung nicht zugänglich. […]“ Offiziell gelten 15 % der am Nexö-platz gelagerten Akten als gefährdet, was auch Mitglieder der Historischen Kommission Pommerns  in einem Interview mit der Ostseezeitung am 31.12.2014 mit tiefer Sorge erfüllte. Zudem droht – vielleicht auch begründet mit der schlechten Unterbringung – sogar die Gefahr, dass nicht nur pommersche Akten  entstanden nach 1945 – wie bereit geschehen – sondern auch solche die ihre Entstehung vor 1945 haben nach Schwerin verbracht werden und damit die Grundlage der Pommernforschung am Ort wegfällt.

Logo Archion
Logo Archion

Archion, das Kirchenbuchportal der evangelischen Kirche hat gerade seine Betaphase beendet und kündigt den offiziellen Start für den 20. März 2015 an. Wenn nicht noch sehr viel an Digitalisaten dazu kommt (und es heißt, der Import aus dem EZAB-Evangelisches Zentralarchiv Berlin wäre abgeschlossen), bleibt es vorerst bei Unterlagen aus Stettin und Umgebung. Die Kosten sind bekannt, es kann allerdings sein, dass es eine Beschränkung der Zahl der Downloads geben wird und zumindest die Betatester berichten über teilweise sehr schlecht lesbare Digitalisate. Es hört sich eher derzeit so an, als ob dieses Seiten – bisher ohne Beteiligung der Nordkirche – für den in Pommern suchenden (außer er sucht konkret in und um Stettin) eher unrentabel wären.

Ancestry bietet inzwischen eine sehr ordentliche Indexierung der bei ihnen vorhandenen pommerschen Kirchenbücher aus dem Landesarchiv Greifswald, und sie schreiben selbst: „Mehr als 150 Millionen neue deutsche Daten wurden hinzugefügt“. Dazu gehören auch Standesamtregister aus Berlin, ein Sammelbecken für viele Pommern. Wermutstropfen ist aber die Verdopppelung des „Eintrittspreises“, ein halbes Jahr Zugang zu deutschen Urkunden kostet jetzt fast 60 Euro.
Viele Unterlagen von Ancestry sind auch bei Familysearch kostenfrei zu betrachten, die Indexierung ist aber bei weitem nicht so umfangreich.

Wer hingegen in Hinterpommern forscht, hat es immer einfacher.
Es gibt ein zunehmendes Interesse von polnischen Ortsforschern, die sich intensiv auch mit der deutschen Geschichte ihres Ortes auseinandersetzen.  Gerade auf Facebook finden sich viele solcher Initiativen. Auch von offizieller Seite werden die Archivmaterialien aufgrund gesetzlicher Bestimmungen immer weiter zugänglich gemacht.
http://szukajwarchiwach.pl/ mit inzwischen über 14 Millionen Scans online ist wohl bekannt.(Anleitung auf  http://pommerscher-greif.de/sonstige/articles/suchanleitung.html) und die Seiten sind auch auf pommerscher-greif.de unter Standesamt online und Kirchenbuch online verlinkt. Auf der Seite wurden zwar in letzter Zeit keine neuen Personenstandsunterlagen aus Stettin oder Köslin eingestellt, aber andere interessante Aktenbestände aus dem Archiv in Stettin, wie wir berichteten:
Bei szukajwarchiwach sind neue Unterlagen aus dem Staatsarchiv Stettin veröffentlicht worden, es handelt sich um Teile des Aktenbestandes “Reichskammergericht Wetzlar” der im deutschen Online-archivführer ausführlich beschrieben ist. http://szukajwarchiwach.pl/65/6/0#tabZespol
Ebenso kamen große Teile des Bestandes Oberpräsidium Pommern hinzu.

Besonders erfreulich ist die Entwicklung bei den polnischen Genealogischen Vereinen.
Der schon lange aktive Verein für Familienforschung in Westpreußen
PTG Pomorskie Towarzystwo Genealogiczne
hat Bücher aus den Kreisen Stolp, Lauenburg und Bütow mit in seinem Indizierungsprojekt erfasst. Hier finden sich aber keine Links zu den Originalurkunden
.

Basia
Basia arbeitet mit vielen Institutionen zusammen

Bei Basia, betrieben vom Großpolnischen Verein für Familienforschung “Gniazdo”
sind jetzt auch Daten aus Roggow Kreis Regenwalde und Stettin und Umgebung erfasst : Darstellung der bearbeiteten Unterlagen auf einer Karte. 
fertig bereits: Standesamt Stettin Geburten: 1874-1877 Eheschließungen: 1874-1877, 1879 Sterbefälle: 1874-1876
Niemierzyn (pow. Szczecin) Nemitz Sterbefälle: 1875-1877
Gumieńce (pow. Szczecin) Scheune Standesamt Eheschließungen: 1875

Viele Suchergebnisse bei Basia verlinken direkt zum Originalscan, bei denen aus Stettin ist das leider nicht der Fall und man findet auch nur eine Jahresangabe, muss also einen kompletten Jahrgang durchsuchen. geändert 4.3.2015    Die Ergebnisse werden jetzt zum Scan verlinkt.
Im Posen-Projekt (Indexierung von Eheschliessungen in der Provinz Posen 1800 – 1899) sind Daten aus Deutsch Krone und dem Kreis Flatow mit erfasst.
Die für uns erfreulichste Entwicklung ist die Gründung der “Zachodniopomorskie Towarzystwo Genealogiczne POMERANIA” im Mai 2014 in Stettin. Nach eigenen Angaben dieses Vereins bestehen Vereinbarungen sowohl mit dem Archiv in Köslin als auch dem in Stettin dort Personenstandsunterlagen zu fotografieren und diese dann zu indexieren. Über 300 000 Fotos sind so bereits entstanden und wurden teilweise auch online gestellt, manche „Pakete“ werden aber auch nur den Personen zugänglich gemacht, die sich zur Erfassung bereit erklärt haben. (Zugriff nur für die Indizierung)

Pomerania
Mitglieder von Pomerania bei der Arbeit im Archiv in Köslin Bildquelle:
http://cwiklinski.pl/ptg/led_2.jpg

Etliche deutsche Forscher haben sich schon an diesem Projekt von sich aus beteiligt. Man bekommt die Dateipakete und eine Erfassungstabelle per Datentransfer zugeschickt.
Man findet diese Materialien auf der Seite http://metryki.genbaza.pl/ die erst nach Registrierung (Beschreibung wie man sich registriert ) voll zugänglich ist. Derzeit stehen ca. 100 Kirchenbuchpakete und ca. 75 Standesamtsgruppen online, die Sichtbarkeit wechselt aber noch, so dass wir noch keine Verlinkung auf den Greif-Seiten vorgenommen haben. Die Fotos sind von sehr guter Qualität und die Benutzbarkeit der Webseite ist ausgezeichnet, auch der Download einzelner Seiten ist möglich.
Wir freuen uns sehr über diese Initiative – umso mehr als wir schon lange nach einen Schwesterverein auf polnischer Seite gesucht haben. Wir werden zu unserer Tagung in Züssow Vertreter dieses Vereins begrüßen können, u.a. den Vorsitzenden Wojciech Wilski, der seinen Verein und dessen Pläne vorstellen wird.

Mitglieder von Pomerania
Mitglieder von Pomerania mit der Direktorin des Staatsarchivs Koszalin/Köslin, Joanna Chojecka. Bildquelle http://cwiklinski.pl/ptg/koszalin_AP2.JPG

Darauf sind wir sehr gespannt und freuen uns. Synergien zwischen den Leuten vor Ort nahe an den Archiven und denen, die die Schrift gut lesen können und sich mit der Namensgebung auskennen, können nur von Vorteil für alle Seiten sein.
Ich habe den Eindruck, dass in dem Maße, wie der Zugang zu alten Akten in Polen leichter wird, die Benutzbarkeit in Vorpommern immer schwieriger wird. Auch das Stadtarchiv Stralsund ist ja immer noch für die Benutzung geschlossen und nur per schriftlicher Anfrage zu kontaktieren. Vielleicht kann uns in Züssow auf der Tagung der Leiter dieses Archiv, Dr. Dirk Schleinert, der den Einführungsvortrag hält, dazu Neues berichten. Es darf auch von uns als Laien nicht hingenommen werden, dass die Geschichte Pommerns in Vorpommern immer mehr unter die Räder und ins Abseits gerät.