Seit Tagen engagiere ich mich gegen den Verkauf der Bücher aus der Bibliothek des Gymnasiums Stralsund und vermutlich auch noch weiterer Schriften, vielleicht sogar aus der Löwen’schen Sammlung . Aber in irgendeiner Ecke hatte ich noch die Hoffnung, dass es nicht so schlimm sei, wie es den Anschein hatte. Nun ist diese Hoffnungsblase geplatzt.

dpa meldet eben nach der Bürgerschaftssitzung in Stralsund, dass die Stadt den Verkauf von  6210 Bände aus dem Zeitraum von 1497 bis 1833 bestätigt hat „weil sie nach Ansicht des Archivs weder einen Wert für die Hansestadt Stralsund noch eine Bedeutung für die Arbeit des Archivs haben würden“. Da bleibt mir die Spucke weg…

Exlibris D.E.H. Zober, auf einer Auktionsplattform gefunden.
Ernst Heinrich Zober, Lehrer und Bibliothekar zu Stralsund und wichtiger “Vater” der Bibliothek

Das ist aber vermutlich nur die Spitze vom Eisberg, da auch etliches an Literatur nach 1833 in den einschlägigen Verkaufsportalen zu finden war (und auch noch ist).

Auch wenn der Antiquar jetzt angeblich erstmal den Verkauf der Bücher gestoppt hat – vieles ist schon in Privathand gegangen,  dass weiß ich aus persönlichen Mitteilungen  oder aus den Kommentaren der Petition: “Habe selber mit Bedauern ein Buch aus der Sammlung erstanden, das ich lieber in der Bibliothek sehen würde.”

 

Wer mag wohl der Gutachter sein, der diese Schandtat der Stadt bewerten soll? Und wird die Leiterin des Stadtarchivs, Frau Dr. Nehmzow, das Bauernopfer sein, das für die Entscheidungen des Hauptausschusses den Kopf hinhalten muss? In wieweit waren die Mitarbeiter des Stadtarchivs an dieser Entscheidung überhaupt beteiligt?

Aus der inzwischen unübersichtlichen Fülle an Informationen zu diesem Fall empfehle ich als Erstes in das Fabian Handbuch  der historischen Buchbestände in Deutschland zu schauen, besonders der Punkt 2.115 beschreibt die Bestände der Gymnasialbibliothek.  Wer danach sagt, das ist “nicht von Wert für Stralsund” oder “Literatur mit Bezug zur historischen Region Pommern, sei nicht verkauft worden” (Pressesprecher Koslik),  der kann nicht lesen.

Dazu auch das Interview mit der Verfasserin dieses Artikels und ehemaligen Mitarbeiterin des Archivs Gisela Klostermann.

Aufgedeckt wurde das Ganze durch Dr. Klaus Graf in seinem Blog Archivalia. Wichtige Proteste kamen von der AG für pommersche Kirchengeschichte ; dem Verband der Archivare  und dem Museumsverband Mecklenburg-Vorpommern.

Der erste Artikel in einer überregionalen Zeitung  erschien in der Frankfurter Allgemeinen (nicht online lesbar, aber es gibt einen etwas süffisanten Bericht von K.Graf dazu) und dann in der Frankfurter Rundschau.
Weitere Links finden Sie auf der Pinterest-Seite, die ich zu diesem Drama angelegt habe und auf der Facebook-seite (ohne Anmeldung zugänglich)  unserer Aktion “Rettet die Stralsunder Archivbibliothek”  (dahinter steht eine Gruppe aus Historikern, Archivaren, Bibiliothekaren, Familienforschern, Juristen und Pfarrern)

Jetzt erst recht! Die Bibliothek des Archivs hat einen Gesamtbestand von 100 000 Bänden, weiterer Abverkauf muss unbedingt gestoppt werden und die noch vorhandenen Bücher müssen zurückgekauft werden.

Bitte unterzeichnen sie die Petition und machen sie unsere Aktion in ihrem Bekanntenkreis  publik! Eine englische Fassung für ihre US-Kontakte finden Sie auf Pommern in Bildern .

M.Ott

Ergänzung: Seit heute gibt es auch einen tollen Wikipedia-Artikel zum Stralsunder Gymnasium.

Rettet die Stralsunder Archivbibliothek