Herrnhuter Brüdergemeine? Vielen fallen dazu nur die dekorativen Herrnhuter Sterne ein, die es um die Weihnachtszeit zu kaufen gibt. Das es sich um eine Kirche mit weltweit über einer Million Mitgliedern handelt, die in Englisch Moravian Church heißt und auf eine lange Tradition auch in Pommern zurückblickt, ist eher unbekannt. Sie ist der Evangelischen Kirche in Deutschland angegliedert und zugleich Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen, finanziert sich nur über Spenden.

Vogtshof Herrnhut - Sitz der Evangelischen Brüder-Unität - Herrnhuter Brüdergemeine By Rixxo (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Vogtshof Herrnhut – Sitz der Evangelischen Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine By Rixxo (Own work) CC-BY-3.0 via Wikimedia Commons
 In der aktuellen Ausgabe des Sächsischen Archivblatt 1/2014 auf Seite 26/27 findet sich ein Artikel zum 250jährigen Bestehen des Unitätsarchivs der Herrnhuter Brüdergemeine. Mit einer Tagung Ende Juni soll dieses Jubiläum gewürdigt werden. Auf der Webseite dieses bei Familienforschern vielleicht nicht so bekannten Archivs , dessen Beständen glücklicherweise den 2. Weltkrieg unbeschadet überstanden haben, finden sich folgende Hinweise :

Informationen für Familienforscher
Im Unitätsarchiv findet sich reichlich Material über Personen, die Mitglieder der Brüdergemeine waren oder aus dem Umfeld der Brüdergemeine stammen. Für die Recherche stehen Genealogen indizierte Kirchenbücher und Kirchenbuchabschriften aus einzelnen Kirchgemeinden der Brüdergemeine und Mitgliederverzeichnisse bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mit ausführlichen biographischen Angaben zur Verfügung.

Darüber hinaus finden sich im Unitätsarchiv ca. 30.000 Lebensläufe. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts war es in der Brüdergemeine üblich einen Lebenslauf zu verfassen, der dann zum Begräbnis öffentlich vorgelesen wurde. Sie sind in der Archivdatenbank erfasst. 
Ferner gibt es eine Reihe von verzeichneten und unverzeichneten Nachlässen und Teilnachlässen von Personen wie auch sogenannte Dienerblätter, Biogramme von kirchlichen Mitarbeitern.
Im Unitätsarchiv finden sich dagegen keine einschlägigen genealogisch auswertbaren Quellen der Alten Brüder-Unität in Tschechien und Polen.

Eine ganze Reihe der Bestände und Namen der vorhandenen Lebensläufe sind über http://www.unitaetsarchiv.findbuch.net/ recherchierbar.
Ebenfalls informativ die Webseiten des Förderveins des Archivs mit online-Ausgaben der Mitteilungen „Archvarius“ seit 2005.

Zu welcher relgiösen Richtung gehört die Herrnhuter Brüdergemeine? Es ist eine aus der böhmischen Reformation herkommende überkonfessionellchristliche Glaubensbewegung, welche vom Protestantismus und dem späteren Pietismus geprägt wurde. Sie zeichnet sich durch eine weltweite Diasporaarbeit aus und wurde abgelehnt vom schwedisch-vorpommerschen Luthertum, von den nach der Union vor allem in Hinterpommern entstandenen Separatisten und der Erweckungsbewegung.( Die Arbeit von Benjamin Fredrich/Greifswald  “Die Reaktion Preußens auf die pommersche Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts” zeigt die unterschiedlichen Erweckungskreise auf.)

Der MDR erklärt Hintergründe zum Gründer Zinzendorf und der Brüdergemeine in seiner Reihe „Geschichte Mitteldeutschlands“. 

Was kann man als Familienforscher in Pommern in diesem Archiv vielleicht finden? In den Baltischen Studien NF93 2007 hat Martin Behrendt in dem Artikel „Zur Diasporaarbeit der Herrnhuter Brüdergemeine in Pommern“ über die Geschichte dieser Vereinigung in Pommern und wertvolle Archivalien im Unitätsarchiv berichtet.

Es liegen dort Berichte vor über die Zusammenkünfte, z.B. in Stettin ab 1729, umfangreiche Briefwechsel mit pommerschen Pastoren (Mampe/Zezenow 1760, Albert/Weitenhagen 1791-98, Ranzo/Tempeburg 1781-1820, Clasen/Böck 1818-64 bzw. Löcknitz 1871) und die Reiseberichte der Diasporaarbeiter ab 1733. Zu deren Grundsätzen gehörte die Ausrichtung der Arbeit auf die jeweilige Kirchengemeinde und die Zusammenarbeit mit dem Pastor vor Ort. Es wurde gemeinsam gelesen und gesungen. Diese “Reisebrüder” führten ausführliche Tagebücher und mussten jährlich Berichte abliefern. Dieses Material ist lückenlos erhalten. In Hinterpommern entstanden einige kleinere Zentren: In Güntersberg /Saatzig, Stargard, Stolp, Tempelburg und anderen Orten.  Der Umfang dieser Besuchsberichte erreicht teilweise über 1000 Seiten (Johannes Tanner).
Ebenso gibt es Berichte über die Tätigkeit im schwedischen und preußischen Vorpommern.

Behrendt zählt in seiner Veröffentlichung abschließend die Namen von 20 pommerschen Brüdermissionaren auf aus der Zeit von 1732 – 1932:
Richter /Stralsund, Masner /Rügen, Töllner, Hollaz /Güntersberg, Zenner /Stettin, Krohn /Stettin, Zander /Messenthin, Schaukirch /Stettin, Brinkmann /Barth, Kruth /Stettin, Pagell /Stettin, Raatz /Tempelburg, Schulze /Gramenz, Riegel /Stettin, Fehrmann /Treptow/Rega, Berckenhagen /Stettin, Berg /Stettin, Assmann /Tempelburg, Blohm /Keffenbrink, Cranz /Naugard.

Das Unitätsarchiv ist eine Quelle, die vor allem bei der Ortsforschung wertvolle Hinweise liefern kann. Und wenn man vor Ort ist: Der Bibliothekskatalog der Präsenzkatalog ist nur in einem Verbundkatalog erfasst: Virtueller Katalog Theologie und Kirche

Literatur:

„Zur Diasporaarbeit der Herrnhuter Brüdergemeine in Pommern“ , Martin Behrendt, Baltische Studien NF Band 93 2007
“Der Pietismus im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert” hrsg. von Martin Sallmann, Ulrich Gäbler, Goettingen, 2000   Umfangreiche Leseprobe

Ein Gedanke zu “Unitätsarchivs der Herrnhuter Brüdergemeine”

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